Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz bzw. BFSG wurde am 22. Juli 2021 verabschiedet und setzt die EU-Richtlinie 2019/882, bekannt als European Accessibility Act (EAA), in deutsches Recht um. Ziel des Gesetzes ist es, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am digitalen und öffentlichen Leben zu verbessern, indem bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei gestaltet werden müssen. Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 vollständig in Kraft.
Viele Websitebetreiber stellen sich nun die Frage, warum gegebenenfalls nach dem 22.7.2021 erstellte Websites nicht barrierefrei von Agenturen und Partnern gestaltet wurden. Dazu möchten wir Folgendes erläutern:
Gründe für die verspätete Wahrnehmung des BFSG
1. Fehlende gezielte Kommunikation durch Behörden
2. Fokus auf Großunternehmen und öffentliche Stellen
Die Diskussion um Barrierefreiheit konzentrierte sich lange Zeit auf öffentliche Einrichtungen und große Unternehmen. Diese waren bereits durch frühere Gesetze und Richtlinien verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Dass das BFSG nun auch kleine und mittlere Unternehmen betrifft, wurde aufgrund fehlender aktiver Information und mangelnder öffentlicher Darstellung der Inhalte nicht beachtet.
3. Wahrnehmung von Barrierefreiheit als soziales Thema
Barrierefreiheit wurde häufig primär als soziales Anliegen betrachtet, nicht jedoch als wirtschaftlich relevantes Thema. Viele Unternehmen erkannten nicht, dass das BFSG direkte Auswirkungen auf ihre digitalen Angebote hat und sahen daher keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. So ist es bis heute auch noch in vielen anderen europäischen Ländern, deren Gesetzgebung auf der gleichen europäischen Rechtsgrundlage beruht.
4. Unklare Auswirkungen auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
Es herrschte sehr lange eine große Unsicherheit darüber, welche Unternehmen genau vom BFSG betroffen sind. Zwar sind Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz unter zwei Millionen Euro von den Anforderungen ausgenommen, doch viele KMU wussten nicht, ob sie unter diese Ausnahmeregelung fallen und welche konkreten Maßnahmen sie ergreifen müssen. Ebenso war nicht klar, auf welche digitalen Angebote sich die Gesetzesvorgabe bezieht. Bis heute gibt es dazu abweichende Informationen. Wir von markoon sind in dem Thema geschult und können dazu eindeutige Antworten geben. Allerdings dürfen auch wir keine verbindliche Rechtsberatung dazu durchführen.
Bedeutung des BFSG für Website- und Onlineshop-Betreiber
Für Betreiber von Websites und Onlineshops bedeutet das BFSG, dass ihre digitalen Angebote bis zum 28. Juni 2025 barrierefrei gestaltet sein müssen. Dies umfasst unter anderem:
- Barrierefreie Navigation: Eine klare und konsistente Struktur, die es allen Nutzern ermöglicht, sich problemlos zurechtzufinden.
- Textalternativen für Bilder: Bereitstellung von Alternativtexten für visuelle Inhalte, damit Screenreader diese interpretieren können.
- Anpassbare Schriftgrößen und Kontraste: Nutzer sollten die Möglichkeit haben, Schriftgrößen anzupassen und ausreichende Kontraste vorzufinden, um Inhalte besser lesen zu können.
- Tastaturbedienbarkeit: Alle Funktionen der Website sollten ohne Maus, nur mit der Tastatur, zugänglich sein.
- Vermeidung von zeitgesteuerten Inhalten: Inhalte sollten nicht automatisch ablaufen oder sich ohne Nutzerinteraktion verändern.

Viele Unternehmen standen lange vor der Frage, ob und in welchem Umfang das BFSG für sie relevant ist – nicht zuletzt, weil klare Informationen dazu fehlten. Aktuell geht es darum, die Umsetzung gezielt anzugehen, um Fristen einzuhalten und langfristig allen Nutzern den bestmöglichen Zugang zu digitalen Services zu ermöglichen. Wer jetzt handelt, sichert sich nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen Wettbewerbsvorteil.
Welche Websites und Onlineshops müssen barrierefrei sein?
Das BFSG betrifft alle digitalen Plattformen, die zentrale Interaktionsmöglichkeiten für Nutzer bieten oder zur Geschäftsabwicklung genutzt werden. Dazu gehören insbesondere:
Onlineshops
Der gesamte Bestellablauf, sämtliche Produktbeschreibungen, die Navigation, Produktbeschreibungen mit Alternativtexten für Bilder, Formulare für Versand- und Zahlungsoptionen etc. müssen barrierefrei gestaltet sein.

Online-Terminbuchung
Arztpraxen, Handwerksbetriebe oder Dienstleister mit Online-Terminvereinbarung müssen sicherstellen, dass die Buchung für alle Nutzer zugänglich ist.
Kundenportale & Self-Service-Angebote
Versicherungen, Banken und Versorgungsunternehmen müssen Rechnungen, Vertragsverwaltung und andere Services barrierefrei zugänglich machen.
Anfrageformulare / Online-Konfiguratoren
Ebenfalls relevant sind interaktive Formulare oder Tools auf Webseiten, die es Nutzern ermöglichen, individuelle Angebote oder Dienstleistungen zusammenzustellen und eine Anfrage direkt an das Unternehmen zu senden. Entsprechende Formulare zählen zur zentralen Interaktionsmöglichkeit für Nutzer und werden zur Geschäftsabwicklung genutzt.

Außer-Haus-Bestellsysteme
Restaurants und Lieferdienste, die eine Onlinebestellung zulassen, müssen den Vorgaben des Gesetzes entsprechen (hier ist besonders die Bagatellgrenze zu prüfen).
Apps & Software mit Verbraucherservices
Mobile Anwendungen, die Zahlungen, Buchungen oder Vertragsabschlüsse ermöglichen, fallen ebenfalls unter das Gesetz.
Gilt das BFSG auch für B2B-Angebote?
Nein, das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) betrifft ausschließlich digitale Angebote, die sich direkt an Verbraucher (B2C) richten. Rein geschäftliche Interaktionen zwischen Unternehmen (B2B) sind von den gesetzlichen Vorgaben ausgenommen.
Das bedeutet konkret:
- Anfragekonfiguratoren für Geschäftskunden, etwa in der Industrie oder im Großhandel, müssen nicht zwingend barrierefrei gestaltet werden.
- B2B-Shops oder digitale Portale, die ausschließlich für gewerbliche Kunden zugänglich sind, fallen nicht unter die BFSG-Regelung.
- Spezialsoftware oder interne Unternehmenslösungen, die nur innerhalb eines Unternehmens oder für den geschäftlichen Austausch genutzt werden, unterliegen nicht den gesetzlichen Barrierefreiheitsanforderungen.
Solange ein digitales Angebot keine direkte Schnittstelle zu Endverbrauchern hat, sind Unternehmen in diesem Bereich nicht zur Umsetzung der BFSG-Vorgaben verpflichtet.
Wann kann B2B dennoch indirekt betroffen sein?
Auch wenn das BFSG nicht für B2B-Angebote gilt, gibt es Fälle, in denen Unternehmen dennoch indirekt von den Anforderungen betroffen sein können:
- Mischformen aus B2B und B2C: Unternehmen, die sowohl Geschäftskunden als auch Endverbraucher bedienen, müssen sicherstellen, dass ihre B2C-relevanten digitalen Angebote barrierefrei sind. Das betrifft insbesondere Webshops oder Kundenportale, die sich an beide Zielgruppen richten.
- Öffentliche Ausschreibungen und Partneranforderungen: Viele öffentliche Auftraggeber und größere Unternehmen setzen bereits jetzt Barrierefreiheit als Voraussetzung für Kooperationen oder Vertragsabschlüsse. Wer nicht barrierefrei arbeitet, könnte bei Ausschreibungen oder Vergaben benachteiligt werden.
- Wettbewerbsvorteil und Zukunftssicherheit: Auch wenn es keine gesetzliche Pflicht gibt, kann eine barrierefreie Gestaltung ein echter Vorteil sein. Unternehmen, die sich frühzeitig mit Barrierefreiheit auseinandersetzen, verbessern nicht nur ihre digitale Zugänglichkeit, sondern auch ihre Position am Markt.
Wichtig für alle Standard-Websitebetreiber: Ein reines Online-Schaufenster mit nur statischen Informationen ist nicht automatisch betroffen. Sobald jedoch eine geschäftsrelevante Interaktionsmöglichkeit besteht, greift das BFSG.
Es ist wichtig zu beachten, dass Kleinstunternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von höchstens zwei Millionen Euro von den Anforderungen des BFSG ausgenommen sind. Dennoch kann es für diese Unternehmen sinnvoll sein, Barrierefreiheit umzusetzen, um eine breitere Kundschaft zu erreichen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Stichtag und Konsequenzen bei Nichteinhaltung
Fazit
Wir verstehen, dass einige unserer Kunden sich fragen, warum ihre Websites ab Juli 2021 nicht automatisch barrierefrei umgesetzt wurden. Die verspätete Wahrnehmung des BFSG lag nicht an mangelnder Sorgfalt unsererseits, sondern an der unzureichenden Kommunikation und Klarstellung der neuen gesetzlichen Anforderungen. Als das Thema an Relevanz gewann, haben wir uns intensiv weitergebildet und unser Angebot entsprechend angepasst.
Den Unternehmen, die jetzt vor der Herausforderung stehen, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten, stehen wir als kompetenter Partner zur Seite. Gemeinsam finden wir individuelle Lösungen, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen und die Vorteile einer barrierefreien digitalen Präsenz optimal zu nutzen. Unser Ziel ist es, nicht nur Pflichten umzusetzen, sondern langfristig barrierefreie und zukunftssichere digitale Erlebnisse zu schaffen.